Mitarbeiterbindung im Mittelstand (Teil 3)

Mitarbeiterbindung im Mittelstand (Teil 3)

Mitarbeiterbindung: Handlungsfelder für den Mittelstand

Mitarbeiterbindung im Mittelstand: Handlungsfelder
Mitarbeiterbindung im Mittelstand: Handlungsfelder

Bereits 15 Prozent der Großunternehmen haben ein individuelles Personalmanagement, d.h. sie haben ihre HR-Programme auf die spezifischen Bedürfnisse der verschiedenen Mitarbeitergruppen wie z. B. Top-Talente abgestimmt.

Schon 30 Prozent nutzen die Informationen über die Mitarbeiter wie z. B. erzielte Performance oder erkanntes Potenzial aktiv zur Gestaltung eines internen Talent Managements. Kaum ein mittelständisches Unternehmen hat allerdings Vorkehrungen insoweit getroffen, als es sich auf eine alternde Gesellschaft im Allgemeinen und eine zukünftig länger arbeitende und ältere Belegschaft im Besonderen eingestellt hat.

In immer mehr Unternehmen wächst aus diesen Gründen die Erkenntnis, dass eine grundlegende Aktualisierung der bestehenden Konzepte der Mitarbeiterbindung erforderlich ist. Vorausschauende Unternehmensleitungen drängen darauf, aktiv zeitgerechte, unternehmensspezifische und situationsgerechte Bindungsinstrumente zu etablieren.

Der vierteilige Beitrag zeigt konkrete Wege auf, wie Sie Ihre Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen, die richtigen Mitarbeiter binden, die Produktivität nachhaltig steigern, erzielte Veränderungen des Unternehmenswertes nachweisen und gewinnbringend nutzen können.

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Mitarbeiterbindung: Handlungsfelder für den Mittelstand

Die künftige Überlebensfähigkeit gerade der mittelständischen Unternehmen hängt in enormem Maße davon ab, ob und wie den Unternehmensleitungen, den Linienmanagern und dem Personalmanagement das Gewinnen, Binden und Motivieren der gefragten Mitarbeiter gelingt.

Das „Gewinnen“, d.h. Personalmarketing, Personalimagewerbung und Recruiting fällt maßgeblich in das Ressort des Personalmanagements. Interessanterweise kommt nahezu jede Studie zu anderen Ergebnissen im Hinblick auf die Kriterien, die ein Unternehmen für Noch-Außenstehende auf dem Arbeitsmarkt interessant werden lässt.

Es spricht vieles dafür, dass in den für Mittelständler erreichbaren Aspekten neben positiver Bekanntheit (in Region bzw. Branche) die Glaubwürdigkeit eine zentrale Rolle spielt. Für Bewerber ist von besonderer Bedeutung, dass das Unternehmen im Personalmarketing nicht jedem Trend hinterherläuft, den es bei der jeweiligen Alters- und Zielgruppe (Absolventen, Fachkräfte, Führungskräfte, Spezialisten, Führungsnachwuchs) vermutet.

Glaubwürdig sein und bleiben

Werden bei der Gestaltung von Stellenanzeigen stetig wechselnde, aktuelle Begriffe verwendet, die sich gerade auf dem Höhepunkt der Worthülsenkonjunktur befinden, verliert das Unternehmen nicht nur an Profil und Unverwechselbarkeit, sondern auch an Authentizität.

Studierende etwa verfolgen Stellenanzeigen in den jeweiligen Zielgruppenmagazinen und Internet-Communities zwangsläufig über die gesamte Dauer ihrer Hochschulausbildung hinweg. Sie lassen sich im Hinblick auf dieses Kriterium nur schwerlich täuschen. Doch selbst wenn die Täuschung gelingt, ist die Ent-Täuschung sowie der baldige Wechsel zu einem passenden Unternehmen nur eine Frage der Zeit.

Glaubwürdigkeit ist für die durch Kontinuität der Inhaber bzw. Anteilseigner und der Geschäftsführer gekennzeichneten Mittelstandsbetriebe eine Chance, die sie nicht verstreichen lassen sollten. Sie haben beste Voraussetzungen, um sich im War for Talents von all jenen Großunternehmen abzuheben, die unter Kopf- und Kurswechseln angestellter Unternehmensleitungen leiden.

Wahre Schönheit kommt von innen

Das Anziehen der gefragten Mitarbeiter ist, obgleich im Prozess der Entstehung eines Arbeitsverhältnisses der erste Schritt, bei dem Transformationsprozess zu einem attraktiven Arbeitgeber der letzte Zug. Wenn die Wandlung vollzogen ist, das Unternehmen sich

  1. ein Ist- und ein Soll-Profil erstellt hat und
  2. entsprechende Maßnahmen entwickelt hat, die
  3. erfolgreich zur Umsetzung kommen und wirksam werden, wird es
  4. sein Business erfolgreicher betreiben und kann
  5. das eigene Profil durch geschicktes Marketing glaubwürdig und wahrhaftig nach innen und außen transportieren und
  6. die kontinuierliche Aktualisierung und Verbesserung der Maßnahmen betreiben, um die erzielten Spitzenpositionen in Business und Attraktivität zu halten.

Erfolgreiche Unternehmen sind auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragt: „Erfolg macht sexy!“ Corporate Branding, der Aufbau und Einsatz von Marken, um das Unternehmen zu profilieren, unterstützt das Employer Branding, den Aufbau und Einsatz einer Arbeitgebermarke: Im gleichen Maße, wie sich z. B. die Marke AUDI vom Image des Herstellers für Rentnerfahrzeuge lösen konnte, verbesserte sich auch die Attraktivität der Ingolstädter auf dem Bewerbermarkt. Der Einsatz der Unternehmensleitung als Motor dieser Prozesse ist für den Erfolg und die Glaubhaftigkeit der Anstrengungen von besonderer Bedeutung.

Attraktivität als Arbeitgeber steigern

Bei der Aufgabe, ihr Profil im Ist und Soll zu ermitteln, tun sich mittelständische Betriebe oftmals ebenso schwer wie mit den benachbarten Aufgaben, Führungsgrundsätze zu formulieren oder Leitlinien der Zusammenarbeit zu erarbeiten. Denn Aspekte der Unternehmenskultur sind hier oft mit einzelnen Personen, einer überschaubaren Geschäftsführungs-Crew oder einer Inhaberfamilie verbunden.

Eine Mitarbeiterbefragung ist sicher kein schlechter Einstieg, um zu erfahren, wie die Organisation mit ihren Schwächen und ihren Vorzügen von der Belegschaft gesehen wird. Dieses Feedback kann wichtige Hinweise liefern, sofern von ausreichender Offenheit der Befragten ausgegangen werden kann.

Für die Vorgehensweise bei der Aufgabe, möglichst kritisch und unverblümt in den Spiegel zu sehen und zu formulieren, wie man künftig von Unternehmenskopf bis -fuß wahrgenommen werden möchte, gibt es indes keine pauschale Empfehlung – außer der, sich externer Hilfe zu bedienen.

Ein neutraler Berater ist in der Lage, „blinde Flecken“ in der Selbstwahrnehmung aufzudecken, er kann sich frei von internen Verflechtungen äußern und Problemzonen thematisieren, über die hinwegzusehen man sich selbst schon gewöhnt hat. Zudem bringt er Erfahrungen aus anderen Unternehmen ein und kann hilfreiche Vergleiche anstellen.

Das Unternehmensprofil in Ist und Soll

Herrscht Klarheit über die derzeitigen Stärken und Schwächen, fällt die Formulierung des unternehmensspezifischen Soll-Profils zumeist leicht. Zur Gewährleistung der strategischen Relevanz ist zu klären, welche Normen, Werte und Verhaltensweisen in der Zukunft für den Geschäftserfolg und das Image als attraktiver und Mitarbeiter bindender Arbeitgeber maßgeblich sein werden. Dies können sichtbare Normen sein wie das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens und der Mitarbeiter oder das Corporate Design (z. B. verwendete Farben, Schriften, Logos).

Aber auch unsichtbare Einstellungen und Denkhaltungen sind zu thematisieren, wie die Philosophie des Unternehmens und das handlungsleitende Menschenbild. Hinzu kommen Führungsstile, das Verhalten der Mitarbeiter untereinander sowie gegenüber Kunden, Lieferanten, Geschäftspartnern und der Öffentlichkeit.

Wirkungsstarke Mitarbeiterbindungsmaßnahmen etablieren

Beim Schnüren des Maßnahmenbündels zur Überwindung der erkannten Soll-Ist-Differenzen wird es somit keinesfalls lediglich um ein Mehr an Vergünstigungen und Annehmlichkeiten gehen. Ziel ist es, die zweckdienlichsten Maßnahmen zu etablieren und überholte oder ihren Zweck verfehlende Maßnahmen aus dem Angebot des Unternehmens zu streichen.

 

Fallbeispiel

Ein schwäbischer Betrieb auf der grünen Wiese, der davon abhängig war, Facharbeiter aus weiter entfernten Städten anzuziehen, hatte ein üppiges „Entfernungskilometergeld“ eingerichtet, um auch die Fahrzeit der Arbeitnehmer zumindest teilweise abzugelten. Bei der Analyse der bestehenden Maßnahmen erkannte man, dass ein großer Teil auch der in der Nachbarschaft beheimateten Arbeitnehmerschaft nun noch weiter weggezogen war und selbst organisierte Fahrgemeinschaften gebildet hatte, um diese Leistung des Unternehmens in besonders hohem Maße abzuschöpfen.

Mancher hatte das Entfernungskilometergeld bereits in die Finanzierung seines Häusles eingeflochten. Um die Zweckentfremdung der gut gemeinten Maßnahme zu unterbinden, ohne die Betreffenden in den Ruin zu stürzen, wurde hier u. a. mit einer Produktivitätsprämie eine leistungsförderliche Möglichkeit etabliert, das gleiche Geld zu verdienen. Daneben räumte die Unternehmensleitung selektiv zu Bindungszwecken vergünstigte Arbeitnehmerdarlehen ein, mit denen bestehende Kredite abgelöst werden konnten.

 

Die Erarbeitung verbindlicher Führungsgrundsätze und Leitlinien der Zusammenarbeit sowie entsprechender Trainings der Führungskräfte und Mitarbeiter ist selbst eine wichtige Maßnahme des Retention- und des Performance Managements. Obendrein sind diese Schulungen eine notwendige Bedingung für die Wirksamkeit anderer Leistungs- und Verbleibsanreize, sofern sie ein Verständnis für deren Hintergründe und eine Vorstellung für deren konkrete Umsetzbarkeit vermitteln.

„Love them or loose them.“

Wie in privaten Partnerschaften auch, haben einseitige Beziehungen nicht lange Bestand. Führungskräfte in Unternehmen, die ihren Mitarbeitern keine Wertschätzung und kein Vertrauen zeigen, werden von diesen auf Dauer weder Engagement noch Verantwortungsbewusstsein erwarten können. Wer seinen Mitarbeitern gegenüber gern betont, dass sie austauschbar sind oder auf einem wackeligen Stuhl sitzen, wird sicher keine Verbundenheit zurück erhalten.

Ebenso vergleichbar mit anderen Beziehungen sind die verschiedenen emotionalen und rationalen Faktoren, die eine Rolle für die Festigkeit der Beziehungen zwischen Mitarbeiter und Unternehmen spielen. Ansprüche an Art und Qualität der Faktoren bzw. ihre Gewichtung folgen sehr individuellen Präferenzen. Bei den rationalen Aspekten ist beispielsweise für Hochschulabsolventen eher die persönliche Entwicklung von Interesse, während für junge Väter und Mütter eher die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Vordergrund steht.

Auch im Hinblick auf die häufig unterschätzten psychologischen und sozialpsychologischen Dimensionen gilt es, ein sehr adressatenspezifisches Geflecht aufzubauen, das die zu bindenden Mitarbeiter nicht mehr verlassen wollen.

Mitarbeiterbindung heißt Mitarbeiterverbundenheit

Zuwendungen des Arbeitgebers, die an den Werten, Zielen und Wünschen der Zielgruppe vorbeigehen, werden keine leistungssteigernde oder bindende Wirkung erzielen. Auch hier kann eine Mitarbeiterbefragung helfen, die passenden Verbesserungen zur Mitarbeiterbindung herauszufinden und erste wirksame Handlungsstrategien zu entwickeln. Ein Grundmuster, das Sie für Ihre Belange zuschneiden und ergänzen können, finden Sie hier: Mitarbeiterbefragung zu Mitarbeiterbindungsmaßnahmen.

Daneben kann das Vorgehen einer Befragung dazu beitragen, dass allen Mitarbeitern das vorhandene Angebot an Benefits bekannt ist. Hierdurch können positive Effekte auf die Mitarbeiterbindung nahezu ohne weitere Kosten erzielt werden. Untersuchungen ergaben, dass die meisten Mitarbeiter nur ca. 20 Prozent der vom Unternehmen angebotenen Sozialmaßnahmen kennen.

Was ohne ihr weiteres Zutun zu ihnen kommt, angefangen vom Wasserspender und frischem Obst am Arbeitsplatz, über Personalrabatt und kontinuierliche Abteilungsmeetings bis hin zu Krankenrückkehrgesprächen, Zielgesprächen oder Einladungen zu Feiern und Incentives, ist den Mitarbeitern zumeist präsent.

Anders ist es, wenn der Bedarf durch den Arbeitnehmer angemeldet werden muss, wie z. B. bei Anti-Stress-Programmen, Rückenschul-Angeboten, E-Learning, Home-PC/Internet, Sportzuschüssen, Job Sharing, Personalrabatt in kooperierenden Unternehmen, Wasch- und Bügelservice oder Schuldnerberatung.

Marketing für Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung

Viele Zuwendungen geraten bei dem Mitarbeiter in Vergessenheit, etwa weil zum Zeitpunkt der Einführung für ihn selbst kein Bedarf z. B. nach betrieblicher Altersvorsorge, Kindergartenzuschüssen oder Schulkinderbetreuung bestand. Mitarbeiter, die nach der Einführung hinzukamen, kennen viele der Maßnahmen nur vom Hörensagen, sofern Sie nicht eine entsprechend umfangreiche Einführungsbroschüre aushändigen.

Wir machten zudem in einigen Unternehmen die Erfahrung, dass die Abteilung, die für die Administration dieser Unternehmensleistungen zuständig war, zur Vermeidung von Arbeitsaufwand wenig Interesse daran zeigte, diese Maßnahmen ausreichend publik zu machen. Wenn etwa der Personalabteilung die Verantwortung für die Kommunikation der Belohnungen und Benefits übertragen wird, sollte deren Abwicklung in andere Hände gelegt werden.

Es empfiehlt sich, die Arbeitnehmervertretung zu einem frühen Zeitpunkt in die Gestaltung der Maßnahmenpakete einzubeziehen. Sofern nicht schon ohnehin durch Gesetz oder Tarifvertrag abschließend geregelt, hat der Betriebsrat zu vielen der in Frage kommenden Maßnahmen gemäß § 87 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht. Auch bei den Mitarbeiterbefragungen sind Rechte des Betriebsrats zu berücksichtigen.

Mitarbeiter wissen, wie man sie bindet

Um möglichst zutreffende Ergebnisse zu erhalten, muss die Mitarbeiterbefragung sowohl sehr präzise und detaillierte Fragen stellen, aber auch ausreichend Raum für die Entfaltung eigener Vorschläge bieten. Daneben ist darauf zu achten, dass sowohl die individuell wahrgenommene Wichtigkeit des jeweiligen Punktes (z. B. Kantinenessen) erhoben wird als auch – hiervon säuberlich getrennt – die Beurteilung des Ist-Zustandes.

Bei der Erstellung von Mitarbeiterfragebögen kann man sich von spezialisierten Instituten helfen lassen, um Verzerrungseffekte (z. B. sozial erwünschte Antworten, Ja-Sage-Tendenz, Mittentendenz, Interviewer- oder Situationseffekte) zu minimieren.

Der Unternehmensleitung muss indes klar sein, dass die Mitarbeiterbefragung nicht etwa „rein zu Informationszwecken“ gestartet werden kann. Mit der Befragung selbst kommt der Stein bereits ins Rollen. Schon allein die Vorgehensweise, Mitarbeiter am Transformationsprozess zum attraktiven Arbeitgeber zu beteiligen und sie nach ihren Ansichten, Einstellungen und Bedürfnissen zu fragen, kann positive Effekte auf die Mitarbeiterbindung nach sich ziehen.

Mitarbeiterbefragung als Basis

Die Unternehmensleitung hat unmittelbar im Anschluss an die Befragung entsprechende Veränderungen zu vollziehen und ausreichend zu kommunizieren. Andernfalls sind negative Folgen für den Grad der Mitarbeiterbindung absehbar, und auch für deren künftige Auskunfts- und Kooperationsbereitschaft.

Im Vorfeld muss den Befragten bzw. der Belegschaft deutlich gemacht werden, welche Schrittfolge nach der Befragung geplant und zeitlich möglich ist. Es dürfen keine überzogenen Erwartungen geweckt werden. Die Mitarbeiterbefragung ist kein „Wunschzettel“!

Wenn ein sinnvoller Mix aus Maßnahmen folgen soll, die sich zum Teil auf die Spitzenkräfte und zu einem anderen Teil auf alle Mitarbeiter richten, sind zwar alle Mitarbeiter zu befragen, aber die Gruppen getrennt auszuwerten. Dies schließt die Durchführung als anonyme Befragung aus. Sofern damit zu rechnen ist, dass es hierdurch zu großen Verfälschungen kommt, sollten die Mitarbeiter der jeweiligen Gruppen unterschiedliche oder zur Unterscheidung gekennzeichnete Fragebögen erhalten.

Wenn Sie Mitarbeiterbefragungen regelmäßig durchführen, werden Veränderungen messbar. So lassen sich Trends ablesen, die Ihnen helfen, nicht (mehr) angenommene Bindungsmaßnahmen allmählich einzustellen oder zugunsten aktuell wirkungsvollerer Instrumente umzustellen. Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeiter unterliegen ebenso dem Wandel wie Konsumentenpräferenzen: Wichtig ist, den direkten Draht zu den Adressaten zu etablieren und zu pflegen.

Individuelle Mitarbeiterbindung mit dem Cafeteria-System

Wenn die Ergebnisse im Hinblick auf mögliche Zuwendungen, Annehmlichkeiten und Anreize zu heterogen sind, kann das Etablieren eines Cafeteria-Systems in Betracht gezogen werden. Der Arbeitnehmer hat hier die Möglichkeit, aus einer vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Palette an Maßnahmen diejenigen auszuwählen, die seinen Bedarf am besten treffen.

Ein Hinweis auf Maßnahmen, die jedem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden (z. B. Gesundheitscheck, Fitness-Raum, flexible Arbeitszeit), sollte indes auch aus Gründen des Arbeitgebermarketings nicht fehlen.

Sollen hiermit bestimmte selektive, z. B. leistungsorientierte Anreize gesetzt werden, ist eine Systematik zu entwickeln. Die Mitarbeiter müssen klar erkennen können, bei welcher Leistung sie welche Benefits aus dem Cafeteria-System beziehen können.

Häufig verwendete Kriterien sind:

  • Leistung / Arbeitseinsatz
  • Erfolge / Arbeitsergebnisse
  • Kompetenzbewertung
  • Zeiteinsatz (Überstunden!)

oder andere, vom Unternehmen identifizierte Kriterien.

Cafeteria-System: Aufwand beachten

Ähnlich wie bei variablen Entgeltsystemen werden den bonifikationswürdigen Ausprägungsgraden der Kriterien die hiermit erzielbaren Punkte gegenübergestellt. Diese werden bei Erreichung einem Punktekonto gutgeschrieben. Da jede verfügbare Prämie (z. B. Notebook, Firmenhandy, Art und Ausstattung des Firmenwagens, Wellness Weekend, Kino-, Theater- und Konzertkarten) mit einem Punkte-„Preis“ versehen ist, können die Mitarbeiter selbst entscheiden, auf welche Prämien sie durch Erfüllung der Kriterien hinarbeiten.

Nach unserer Erfahrung scheitern viele Bestrebungen, dieses die Flexibilität und die Selbstbestimmung der Mitarbeiter fördernde System einzuführen, am vermuteten Aufwand. Diese Vorbehalte sind in weiten Teilen zutreffend. Spezialisierte Dienstleistungsunternehmen übernehmen zu überschaubaren Kosten die Abwicklung. Denkbar ist auch eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. Sie lohnt sich nicht nur im Hinblick auf die Bewältigung der administrativen Aufgaben, sondern auch in Anbetracht der durch Einkaufskooperationen möglichen Kostenreduzierung von Cafeteria-Leistungen.

Jede Unternehmensleitung muss für sich selbst die Frage beantworten, ob sie tatsächlich Top-Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden versuchen möchte, ohne einen Aufwand hierfür zu betreiben. Aus dem Privatleben wissen wir, dass die Festigkeit einer Beziehung mit dem Aufwand korreliert, den man betreibt. Auch ein Arbeitsverhältnis, in das nicht beidseitig investiert wird, wird nicht lange halten.

Warum verlassen uns Mitarbeiter wirklich?

Als Ergänzung der Mitarbeiterbefragungen sind Austrittsinterviews („Exit Interviews“) geeignete Quellen für die Identifikation von Veränderungsbedarf auf dem Weg zu höherer Arbeitgeberattraktivität. Ihre Auswertung schärft zudem die Aussagekraft der Quoten von Fluktuation und ungewollter Fluktuation. Selten wird Feedback so ehrlich und hart geäußert wie hier, nicht selten erhält die geschickt fragende Führungskraft wichtige „Insider-Informationen“ über Hemmschuhe in Arbeitsabläufen.

Den Austretenden können selektiv auch Chancen für die spätere Rückkehr eröffnet werden. Direkte Vorgesetzte nehmen Austritte häufig „persönlich“ – oftmals sogar zu Recht. Sie sind daher in der Führung des Gesprächs unbedingt zu schulen, um Verzerrungen der erhobenen Daten und negative Verläufe durch beidseitig ausbrechende Emotionen zu vermeiden.

 

Fallbeispiel

Für ein Automotive-Unternehmen befragten wir im vergangenen Jahr alle ehemaligen Mitarbeiter, die – vom Unternehmen ungewollt – zu Kunden oder zu Marktbegleitern gewechselt waren. Neben den auf die Unternehmensgröße bezogenen Gründen, die zu verändern nicht in der Macht des Mittelständlers lagen, wurden insbesondere die Punkte

  • fehlende Förderung durch die direkte Führungskraft
  • mangelnde Würdigung der Arbeitsergebnisse und
  • zu wenige Freiräume für die Verwirklichung von Ideen

genannt. Es stellte sich bei den Interviews zudem heraus, dass wertvolle Innovationen und Verbesserungsvorschläge von den unmittelbaren Vorgesetzten – vermutlich insbesondere aus Angst vor Machtverlust – gegenüber der Geschäftsleitung zurückgehalten worden waren. Diese Handlungsfelder wurden, eingebettet in ein entsprechendes Führungskräfte-Entwicklungsprogramm, umgehend in Angriff genommen. Schon im Folgejahr wurde eine Halbierung der ungewollten Fluktuationsquote erzielt.
Ein weiterer positiver Nebeneffekt der Befragung der Ehemaligen war, dass vereinzelte Rückkehrwünsche aufgefangen und dem Auftraggeber zugetragen werden konnten.

 

Deutlich wird anhand dieses Beispiels erneut: Maßnahmen, die sich auf das Setzen von Leistungs- und Verbleibsanreizen beziehen, betreffen Leistungen des Unternehmens in Form von

  • Benefits (Zuwendungen und Annehmlichkeiten,)
  • Strukturen und Prozessen,
  • Führung,
  • Zusammenarbeit sowie
  • Unternehmenskommunikation nach innen und außen.

Zwischenfazit

Zugespitzt formuliert: Mit dem Angebot eines Swimmingpools für Mitarbeiter können Defizite in der Führung gerade bei dem ebenso gefragten wie anspruchsvollen Klientel der erfolgskritischen Spitzenkräfte und Top-Talente nicht ausgeglichen werden. Gerade in kleineren mittelständischen Unternehmen mischen sich Unternehmensleitungen häufig in das Aufgaben- und Verantwortungsgebiet ihrer Mitarbeiter ein. Sie gehen selbst mal an der Maschine gucken, warum da was nicht richtig läuft, sie sprechen selbst mal mit dem Kunden über Zahlungsbedingungen, sie rufen selbst mal den Lieferanten an, um Lieferzeiten zu beschleunigen. Aber wer Vertrauen von Mitarbeitern fordert, muss auch Vertrauen geben. Das fällt nicht leicht, vor allem wenn man glaubt oder weiß, dass man es selbst am besten kann. Doch erst wenn man es dennoch zulässt und sich zurücknimmt, kommt das Potenzial der Mitarbeiter ans Licht.

Lesen Sie hier weiter: Mitarbeiterbindung im Mittelstand – Arbeitgeberattraktivität erhöhen, Mitarbeiter motivieren, Wertsteigerungen messen (Teil 4)

Wenn Sie sich mit einem Experten über Mitarbeiterbindung austauschen möchten, nehmen Sie bitte einfach Kontakt zu uns auf.

Literatur:

Mitarbeiterbindung im Mittelstand, Handbuch der Mittelstandsberatung

Handbuch der Mittelstandsberatung: Auswahl und Nutzen von Beratungsleistungen. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2008. In diesem Buch sind zwei Beiträge zum Thema Mitarbeiterbindung enthalten: „Erfolgreiche Mitarbeiterbindung“ und „Humankapital messen, planen und steuern“.

Weitere Informationen bei Amazon oder direkt beim Verlag für das Handbuch der Mittelstandsberatung.

Über das Buch: Das Beraterhandbuch für den Mittelstand. Tom Sommerlatte, Christl Niedereichholz, Michael Mirow, Peter G. von Windau und weitere Experten bieten Ihnen Praxishilfe für den Umgang mit Beratungsleistungen: Wann und warum ist externe Beratung sinnvoll? Welche Beratungsprodukte stehen Ihnen zur Verfügung? Und wie gestalten Sie die Rahmenbedingungen, z.B. das Honorar? Eine wertvolle Orientierungshilfe mit vielen Beispielen. Externe Erfahrungen und Ressourcen zu nutzen, ist durch den hohen Veränderungsdruck für den Mittelstand längst unerlässlich. Tom Sommerlatte, Christl Niedereichholz, Michael Mirow, Peter G. von Windau und weitere Experten zeigen deshalb auf, wie in der Praxis externe Berater mit Erfolg eingesetzt werden können: Wann und warum ist Beratung für Unternehmen von Nutzen? Welche Beratungsprodukte stehen zur Verfügung? Wie können zentrale Rahmenbedingungen, zum Beispiel Honorar und Haftung, gestaltet werden? Die Autoren stellen dabei das breite Spektrum möglicher Beratungsleistungen vor: von der Strategie- und Personalberatung bis zu Beratungsprojekten im Controlling oder im Lean Management.

Mitarbeiterbindung | Kurz und bündig
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Bezeichnung
Mitarbeiterbindung im Mittelstand Teil 3: Handlungsfelder

9 Gedanken zu „Mitarbeiterbindung im Mittelstand (Teil 3)“

  1. Die Befragung der Mitarbeiter hat zudem den Vorteil, dass man bereits vorhandene Bindungsinstrumente überprüft. Plus: Manche vorhandenen Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung werden dadurch „wieder“ bekannt.

    Exit-Interviews sind in unserem Prozess längst fest verankert. Ergebnisse fließen in Workshops ein, in denen wir die Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung jährlich überarbeiten und aktualisieren.

    • Guten Tag t.u.,

      vielen Dank für Ihre Ergänzungen und Ihre Beispiele aus der praktischen und erfolgreichen Anwendung der empfohlenen Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung!

      Beste Grüße

      Ihre Mitarbeiterbinder

  2. Ich bin sehr gespannt auf den letzten Teil und Ihr Fazit. Mitarbeiterbindung ist für uns ein großes Thema!

    • Guten Tag Herr Hakenbeck,

      wir sind unsererseits sehr gespannt auf Ihr fachkundiges Urteil zum kommenden und die Serie abschliessenden Beitrag „Mitarbeiterbindung im Mittelstand, Teil 4“.

      Beste Grüße

      Ihre Mitarbeiterbinder

  3. Mitarbeiterbindung ist die zentrale Herausforderung für Personaler und Führungskräfte in den nächsten Jahren!

    • Guten Tag Frau Stall,

      vielen Dank für Ihr Feedback! Sie sprechen uns aus dem Herzen. Mitarbeiterbindung ist eine Aufgabe, deren Bedeutung schon heute nicht unterschätzt werden sollte.

      Beste Grüße

      Ihre Mitarbeiterbinder

  4. Sehr guter Text zum Thema Mitarbeiterbindung. Wir suchen eine Unternehmensberatung und bitte Sie, mich unter (vom Moderator entfernt) anzurufen.

  5. Ihre Informationen sind ein Schatz für jeden, der sich ernsthaft mit dem Thema Mitarbeiterbindung auseinandersetzt. Ich bin beeindruckt und komme sicher bald einmal auf Sie zu.

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