Mitarbeiterbindung im Mittelstand (Teil 2)

Mitarbeiterbindung im Mittelstand (Teil 2)

Der aktuelle Stand der Mitarbeiterbindung im Mittelstand

Mitarbeiterbindung im Mittelstand
Mitarbeiterbindung im Mittelstand (Teil 2)

Der in manchen Branchen und Regionen bereits erkennbare Mangel an Fach- und Führungskräften ist nur die Spitze des Eisbergs. Gerade mittelständische Unternehmen sind gefordert, unverzüglich die erforderlichen Veränderungen im Bereich des Personalmanagements in Angriff zu nehmen.

Im „Kampf um die Talente“ wird die künftige Überlebensfähigkeit vieler Betriebe davon abhängen, ob es ihnen gelingt, die Kollision mit den gewaltigen Kostenblöcken zu verhindern, die durch Fluktuation und mangelnde Mitarbeiterbindung entstehen.

Der vierteilige Beitrag zeigt konkrete Wege auf, wie Sie Ihre Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen, die richtigen Mitarbeiter binden, die Produktivität nachhaltig steigern, erzielte Veränderungen des Unternehmenswertes nachweisen und gewinnbringend nutzen können.

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Der aktuelle Stand der Mitarbeiterbindung im Mittelstand

Erfahrene Unternehmenslenker wissen: Immer, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, werden die Karten im Business neu gemischt und vergeben. Derjenige, der die neue Konstellation zuerst durchblickt und hieraus die richtigen Schlüsse für das eigene Handeln zieht, wird als Gewinner aus dem Spiel hervorgehen. Wer jedoch zu lange selbstgefällig auf Erfolge vergangener Jahre zurückschaut, wird es von Tag zu Tag schwerer haben, seinen Rückstand aufzuholen.

Unternehmen, die auf mittel- bis langfristige Ertragsverbesserungen abzielen, ergreifen schon heute effektive Maßnahmen. Sie identifizieren systematisch ihre strategisch bedeutsamen Leistungs- und Potenzialträger. Sie sorgen schon jetzt für Bedingungen, um die Performance, Loyalität und Verbundenheit der erfolgskritischen Kräfte zum Unternehmen zu fördern.

Wie verbunden fühlen sich Ihre Mitarbeiter?

Einige Unternehmen checken bereits durch verlässliche und neutrale Mitarbeiterbefragungen, wie viele ihrer Mitarbeiter sich an das Unternehmen gebunden fühlen. Einen Gesamtüberblick über den Stand der Mitarbeiterbindung in deutschen Unternehmen liefern verschiedene Studien z. B. der Engagement Index von Gallup oder das Arbeitsklima-Barometer des IFAK.

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Abbildung 2: Mitarbeiterbindung in Deutschland 2009. Quelle: Gallup GmbH. Zum Vergrößern anklicken.

Gallup befragt seit Jahren repräsentativ Beschäftigte in verschiedenen Ländern nach ihrer Loyalität. Dabei werden die Befragten entsprechend ihrer Antworten in drei Gruppen unterteilt:

Schwarz in der Grafik dargestellt: 23 Prozent der Arbeitnehmer verspüren keine oder gar eine negative emotionale Bindung an das Unternehmen. Sie haben die „innerliche Kündigung“ bereits vollzogen.

Grau: In der zweiten Gruppe finden sich mit 66 Prozent die meisten Mitarbeiter. Arbeitnehmer im grauen Mittelfeld der Mitarbeiterbindung verhalten sich passiv und „tun nur, was sie müssen“. Sie verrichten Dienst nach Vorschrift.

Weiß: Emotional stark an das Unternehmen gebundene Mitarbeiter, die zum Erfolg des Unternehmens in besonders engagierter Weise beitragen, bilden mit 11 Prozent 2009 die kleinste Fraktion.

Deutschland hinten bei Mitarbeiterbindung

Damit belegen die deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich bezüglich der Mitarbeiterbindung keinen der vorderen Plätze. In den USA beispielsweise können die Unternehmen auf doppelt so viele Mitarbeiter mit hoher Bindung und hohem Engagement zählen wie die Arbeitgeber hierzulande.

Die gute Nachricht der Studien für den Mittelstand: Je größer das Unternehmen, desto größer die Anteile der „Schwarzen“ und „Grauen“. Der Anteil der Mitarbeiter mit hoher Loyalität und Engagement ist in mittelständischen Unternehmen deutlich höher als in großen Konzernen.

Fast noch interessanter sind Ergebnisse von Befragungen auf Arbeitgeberseite. Noch immer geben sich viele Unternehmensleitungen der trügerischen Illusion hin, ihre Arbeitsplätze und ihre Unternehmenskultur seien unvergleichlich attraktiv. „Wenn die Mitarbeiter nur wüssten, wie gut sie es bei uns haben!“

Kaum eine Unternehmensleitung schätzt die Lage im eigenen Betrieb bezüglich Motivation und Mitarbeiterbindungsintensität auch nur annähernd richtig ein. „Gallup-Studie? Nein! Unsere Leute sind ganz anders!“

Mitarbeiterbindung rauf, Fluktuationsquote runter?

Verschiedenen Analysen zufolge pendelt die durchschnittliche Fluktuationsrate in Deutschland um 10-14 Prozent pro Jahr, bei Spitzenkräften sogar um 40 Prozent. Es liegt die Vermutung nahe, dass Austritte in Unternehmen mit einem hohen Anteil „weißer“ Mitarbeiter seltener sind als in jenen mit wenig gebundenen Kräften.

Tatsächlich ist aber die Fluktuationsrate im Mittelstand mit rund 20 Prozent (Spitzenkräfte: ca. 60 Prozent) etwa doppelt so hoch wie bei Großunternehmen, obgleich sie deutlich bessere Werte im Hinblick auf Arbeitnehmerloyalität und -engagement verzeichnen können.

Offenbar gilt die Formel „hohe Mitarbeiterbindung → niedrige Fluktuation“ allenfalls bei Vergleichen und im Wettbewerb unter Unternehmen gleicher Imageklasse und Größenordnung.

Mittelständische Unternehmer nehmen sicher gern zur Kenntnis, dass gerade die passiven, unengagierten Mitarbeiter große Unternehmen bevorzugen. Dort herrscht zumeist eine geringere Transparenz im Hinblick auf Arbeitseinsatz und -ergebnis. So vermögen sie sich dort komfortabler einzunisten, ohne in einem mit dem Mittelstand vergleichbaren Maße befürchten zu müssen, dass ihre Untätigkeit auffällt.

Große Unternehmen ziehen an

Doch Großunternehmen genießen einen hohen Bekanntheitsgrad und entsprechend positives Ansehen in der breiten Öffentlichkeit. Sie vermögen noch immer bei vielen Menschen das Gefühl einer relativ höheren Arbeitsplatzsicherheit zu erzeugen. Sie sind daher in der Lage, selbst hoch emotional gebundene und engagierte Mitarbeiter aus dem Mittelstand herauszuziehen.

Nicht in allen Fällen behalten diese jedoch auch in dem neuen Unternehmen diese Tugenden bei. Vielfach ziehen sie sich in die bei Großunternehmen weitaus stärker verbreitete und eher tolerierte graue Mittelmaß-Position zurück.

Chancen für den Mittelstand

Gegen die Sogkraft der großen Konzerne auch auf die begehrten Spitzenkräfte können mittelständische Betriebe nur in beschränktem Maße mit Maßnahmen der Mitarbeiterbindung antreten. Sie können nicht im gleichen Maße z. B. Auslandsaufenthalte, Job Rotation oder alternative Karrierepfade bieten, falls der direkte Vorgesetzte den Stuhl in absehbarer Zeit nicht frei machen wird.

Und doch kann systematisches Mitarbeiterbindungs-Management bzw. Retention Management auf drei Wegen auch in jedem mittelständischen Betrieb direkt zur Senkung der eigenen ungewollten Fluktuation beitragen:

  1. Retention-Maßnahmen können verhindern, dass gefragte Mitarbeiter zu anderen Unternehmen gleicher Größenordnung wechseln.
  2. Die Sogkraft großer Konzerne kann ein Mittelständler mildern, in dem er sich in einem Segment, beispielsweise in einer Region oder in einer bestimmten Branche, mit dem Aufbau einer Marke als Arbeitgeber („Employer Branding“) und der öffentlichkeitswirksamen Darstellung seiner Bindungsmaßnahmen ein hohes Ansehen und ein gutes Image verschafft.
  3. Sie können durch gezielte Ausrichtung der Bindungsmaßnahmen auf Top-Talente, leistungsstarke Mitarbeiter, gefragte und spezialisierte Fachkräfte dafür sorgen, dass es eher die Grauen und Schwarzen sind, die sich in Richtung der Wettbewerber und Großkonzerne verabschieden.

Selektiv binden: Ungewollte Fluktuation senken

Es wäre sicher der falsche Ansatz, die Fluktuationsquote eines Unternehmens pauschal senken zu wollen. Zum einen sind gerade die hoch und anhaltend wirksamen Verbleibsanreize wie etwa Belegschaftsaktien oder zur Verfügung gestellte Immobilien zu kostspielig, um sie mit der Gießkanne auf alle Mitarbeiter auszuschütten. Zum anderen hat sich nicht die absolute Belohnung als besonders wirkungsvoll bezüglich Mitarbeiterbindung und Motivation herausgestellt, sondern die relative.

Denn die Spitzenkraft vergleicht sich vornehmlich mit Kollegen im Umfeld, deren Leistungen und Arbeitsergebnisse sie gut einschätzen kann. Erhalten diese die gleichen Belohnungen wie ich? Genießen sie dieselben Benefits, also Vergünstigungen, Zuwendungen und Annehmlichkeiten? Oder wurden Leistungs-, Kompetenz- und Potenzialunterschiede berücksichtigt?

Weitaus seltener wird ein Vergleich zu Mitarbeitern anderer Unternehmen gezogen. Hierfür fehlt dem Einzelnen die notwendige unmittelbare und verlässliche Informationsbasis. Denn in anderen Unternehmen herrschende Anforderungs- und Leistungsniveaus kennt er nur aus zweiter Hand.

Mitarbeiterzufriedenheit: Die Mischung macht´s!

Belohnungen und Benefits sind extrinsische Formen der Anreizgebung. Extrinsisch bedeutet, dass sie von außen, also nicht aus dem Individuum selbst kommen. Zufriedenheit hingegen, noch mehr die Begeisterung oder der „Spaß“ – im Sinne von Freude an den Aufgaben, an Zusammenarbeit, an Firmenzugehörigkeit, an Leistungen und Erfolgen – kommt von innen und ist etwas sehr intrinsisches.

Extrinsische und intrinsische Anreize sind sehr interdependent. Extrinsische Anreize sind z. B. in der Lage, intrinsische Motivation zu verstärken, zu wecken oder sogar zu erzeugen. Mancher hält Gewohnheiten oder Verhaltensweisen, die er durch den Einfluss extrinsischer Anreize kennen gelernt hat, aus innerem (also intrinsischem) Antrieb ein ganzes Leben lang bei.

SELIMAB: Selektive Mitarbeiterbindung

Das selektive, auf besonders behaltenswerte Mitarbeiter ausgerichtete Retention Management wird sich daher nicht das Ziel setzen, hohe durchschnittliche Mitarbeiterzufriedenheit erreichen zu wollen. Durch selektives Setzen von Verbleibsanreizen sind die höchsten Kosten-Nutzen-Relationen im Zuge der zielgerichteten Mitarbeiterbindung zu erzielen. Der zentrale Zweck ist das Binden der Talente und Top-Talente, der gefragten Spezialisten und der besonders leistungsstarken Mitarbeiter. Diese sind für das Unternehmen zu begeistern!

Doch auch einzelne, nicht selektiv vergebene Annehmlichkeiten zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit können sinnvoll sein. Denn gerade sie werden sich positiv auf das Betriebsklima und, sofern es ausreichend nach außen getragen wird, auf das Unternehmensimage in der Branche oder in der Region auswirken. Dies verbessert wiederum die Ausgangslage, auch die Spitzenkräfte zu binden.

Das Finden der richtigen, d.h. einer dem Unternehmen angepassten Mischung aus selektiven und breit gestreuten Maßnahmen sowie aus Aktivitäten zur Sicherung von Mitarbeiterzufriedenheit und solchen zur Erzeugung von Mitarbeiterbegeisterung, ist eine der wichtigsten Aufgaben zur langfristigen Sicherung von Existenzfähigkeit und Versorgung des Unternehmens mit den benötigten Mitarbeitern.

Was kostet mehr: Mitarbeiterbindung oder keine Mitarbeiterbindung?

Die oftmals langwierige Suche nach Spitzenkräften setzt viele Personalmanager schon heute gehörig unter Druck. In ihnen wächst die Erkenntnis: Die Aufwendungen zur effektiven Bindung und Motivation der Arbeitnehmer werden häufig überschätzt, der Gegenwert nicht gesehen. Mit „Dafür haben wir kein Geld“ wischen Unternehmensleitungen manch guten Vorschlag vom Tisch, der für wenige Tausend Euro zu realisieren gewesen wäre.

Die Kosten der mangelnden Mitarbeiterbindung werden hingegen häufig unterschätzt. Hand aufs Herz: Wie hoch werden diese Kosten für Ihren Betrieb wohl sein?

Kosten der Abwanderung von Spitzenkräften

Die Suche nach einer neuen Spitzenkraft kostet heute das 1,5- bis 2-fache des die arbeitgeber- und arbeitnehmerseitigen Nebenkosten inkludierenden Jahresgehaltes. Bedenkt man künftige Nachfrageüberhänge, wird es sicher schon bald das 2- bis 2,5-fache sein. Spitzenkräfte nehmen oftmals enge Mitarbeiter z. B. aus dem gleichen Projekt mit oder ziehen sie nach; deren Fluktuationskosten sind hinzuzurechnen.

Dazu kommen die Kosten der Einarbeitung und die Opportunitätskosten der Vakanz: Geschäftspartner und Kunden vermissen den Ansprechpartner, Arbeit muss um- und später wieder zurückverteilt werden, Mitarbeiter und Kollegen sind verunsichert und warten „den Neuen“ ab. Bis der sich aber orientiert hat und sein Potenzial entfalten kann, vergehen wertvolle Monate. Strategisch wichtige Projekte verzögern sich oftmals so lange, bis sich deren Umsetzung nicht mehr lohnt. Das Fehlen der Kraft in der vorgesehenen Schlüsselposition beeinträchtigt die Geschäftsfähigkeit des Unternehmens in enormem Maße.

Sollte den Entscheidern bei der Auswahl des Neuen eine Fehlbesetzung unterlaufen, schlagen die direkten und indirekten Kosten mit mindestens 2 weiteren Jahresgehältern zu Buche – selbst wenn dies noch innerhalb der Probezeit erkannt wird.

In immer mehr Branchen können Vakanzen nur durch Abwerben abgedeckt werden. Headhunter nehmen bei ausscheidenden Spitzenkräften (50-60% der Wechsel) eine zentrale Rolle ein. Trotz der Möglichkeit von Wettbewerbsverboten besteht die Gefahr, dass abwanderungslustige Spezialisten betriebliches Know-how, interne Informationen und nützliche persönliche Kontakte zu Dritten mitnehmen. Sie stärken den Wettbewerb in dem gleichen Grade, wie sie Ihr Unternehmen schwächen.

Dazu kommt, dass sich bereits in einigen Branchen und engen, spezialisierten Arbeitsmarkt-Segmenten das „Abwerben und Zurückwerben“ (bzw. „… lassen“) verbreitet. Diese Mentalität hat in jüngster Vergangenheit mehrfach Gehälter- und Kostenspiralen in Gang gesetzt, die gerade kleine und mittelständische Unternehmen in die Insolvenz getrieben haben.

Kosten des mangelnden Engagements

Viele der Mitarbeiter mit keiner oder nur mäßiger Bindung zum Unternehmen – und das sind je nach Studie zwischen 85 und 87 Prozent der Belegschaft – geben erhaltene Informationen beispielsweise über Kundenwünsche, mögliches Zusatzgeschäft oder Entwicklungen bei der Konkurrenz nicht oder nur selten weiter. Sie liefern weniger Vorschläge zur Verbesserung von Prozessen oder der Ausrichtung auf den Kunden. Sie fehlen sowohl krankheits- wie unfallbedingt weitaus häufiger und reden in ihrem Umkreis häufiger schlecht über das Unternehmen, seine Produkte und Dienstleistungen.

Sie beschäftigen sich überreichlich mit arbeitsfernen Tätigkeiten, z. B. häufiges Surfen im Internet, unverhältnismäßiges Ausdehnen der Einsätze und Besorgungen außerhalb des Betriebsgeländes, verlängerte Toilettengänge und Raucherpausen, private SMS und E-Mails, arbeitsfremde Gespräche und Telefonate. Zudem steht zu befürchten, dass sie häufiger „schummeln“, wenn es um entgeltrelevante Angaben (Spesenabrechnung, Auslagen etc.) geht.

Sie produzieren häufiger Ausschuss, überflüssige Material- bzw. Werkzeugkosten und verursachen den größten Teil der Reklamationen. Insbesondere bei der Gruppe der gänzlich ungebundenen Arbeitnehmer herrscht häufig eine tiefe, innere Missachtung gegenüber allen Kunden vor. Das werden diese sicher auch zu spüren bekommen.

Kundennähe, Lernfähigkeit, Flexibilität, Wendigkeit, Kreativität und Innovationsfreudigkeit, also gerade die Wettbewerbsvorteile und Attraktivitätskriterien der mittelständischen Unternehmen, werden somit enorm in Mitleidenschaft gezogen. Der Mangel an Bereitschaft zu Zusammenarbeit und Informationsaustausch verstärkt den Schaden für das Unternehmen.

Mitarbeiter mit keiner Bindung an das Unternehmen sind zudem in vielen Fällen „negativ engagiert“. Diese

  • arbeiten verdeckt, aber sehr aktiv gegen die Interessen des Unternehmens,
  • sind für Vandalismus in Toiletten, Umkleiden und anderen Gemeinschaftsräumen sowie Diebstähle hauptsächlich verantwortlich,
  • empfinden keine Wertschätzung gegenüber den Produkten bzw. Dienstleistungen des Unternehmens,
  • haben kaum „graue“ oder „weiße“ Freunde im Unternehmen,
  • haben eine negative Beziehung zu Eigentümer / Inhaber, Geschäftsleitung, Management und
  • haben hämische Freude daran, das zu Fall zu bringen und zu untergraben, was ihre engagierten Kollegen aufgebaut haben.

Gründe mangelnder Mitarbeiterbindung

Die wenigsten Arbeitgeber besitzen ausreichend Informationen über die Beweggründe, warum Mitarbeiter sich entscheiden, in das Unternehmen einzutreten oder bei ihm zu bleiben – und noch weniger darüber, warum sie es verlassen. In nur wenigen Unternehmen werden diese für die Identifizierung von unternehmensspezifischen Bindungsstärken und -schwächen doch so bedeutenden Informationen systematisch erhoben und ausgewertet.

„Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es.“ (Erich Kästner)

Befragt man Unternehmen nach dem Grund für das Ausscheiden von gefragten Kräften, ist

  • unzureichendes Grundgehalt

bzw. ein nicht auszuschlagendes Angebot das am häufigsten genannte Kriterium. Tatsächlich stellt sich dieser „Pull-Faktor“ bei Befragungen ausscheidender Spitzenkräfte regelmäßig nicht als der bedeutendste Aspekt heraus. Die gefragten Kräfte beklagen eher „Push-Faktoren“ wie:

  • fehlende Freiräume zur Entfaltung von Leistung oder innovativem Potenzial
  • zu wenig anspruchsvolle Arbeitsinhalte

Der oft verwendete Begriff der „Suche nach einer (neuen) Herausforderung“ weist deutlich darauf hin, dass diese Möglichkeit bei dem vorherigen Arbeitgeber offenbar fehlte. Die endgültige Entscheidung, den Arbeitgeber zu wechseln, steht bei Spitzenkräften meist am Ende einer Kette von Versuchen, ihre Situation anders zu gestalten. Weitere Push-Faktoren sind:

  • unzureichende Karriereaussichten
  • mangelnde Weiterbildungsmöglichkeiten
  • unausgewogene Work-Life-Balance

Gerade im Mittelstand gelten lange Arbeitszeiten vielfach als Zeichen für Motivation, Erfolg und Loyalität. Familienorientierte Männer kritisieren laut einer Studie des Instituts für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung (IAIZ), dass die Beurteilung von Arbeitnehmern in Bezug auf Motivation in zu hohem Maße an die Anwesenheitszeit gekoppelt sei.

Werden alle Ausscheidenden, also ungeachtet der Kriterien Potenzial, Leistung oder Kompetenzwert, nach ihren Gründen befragt, spielt die

  • übermäßige Belastung,

auf Arbeitgeberseite nur nachrangig bewertet, die größte Rolle.

Aus beobachtbaren Veränderungen des Engagements des Mitarbeiters beim Wechsel von direkten Führungskräften folgern die Experten, dass die unmittelbaren Vorgesetzten als positive Repräsentanz in der emotionalen Bindung zum Unternehmen eine zentrale Rolle einnehmen. Die Relevanz des Aspektes

  • Gestaltung des Arbeitsumfelds durch Vorgesetzte

wird durch die hohe Ausprägung der Kriterien

  • mangelnde Klarheit über eigene Rechte und Pflichten
  • mangelnde Klarheit über eigene Aufgaben
  • unzureichende Information über unternehmensrelevante Neuigkeiten
  • unzureichende Anerkennung von Leistungen auch im Leistungsmittelfeld
  • wenig Mitgestaltungsmöglichkeiten

bei Mitarbeitern mit geringer Mitarbeiterbindung, somit innerlich oder tatsächlich vollzogener Kündigung unterstrichen.

Führung, Leistung, Mitarbeiterbindung – ein Teufelskreis?

Führung – Leistung – Bindung
Abbildung 3: Teufelskreis Führung – Leistung – Bindung. Zum Vergrößern anklicken.

Es liegt die Vermutung nahe, dass die negativen Merkmale der „Schwarzen“ und „Grauen“ (der Mangel an Engagement, Kundenorientierung, Kreativität, Innovationskraft, Qualität, Produktivität etc. sowie die Fokussierung auf den Eigennutz und arbeitsferne Dinge) und das Verhalten der unmittelbaren Vorgesetzten einen Teufelskreis bilden.

Teufelskreise sind Abwärtsspiralen, bei denen sich die Verhaltensweisen bedingen und gegenseitig verstärken. Ihr Vorteil aus Sicht der Personal- und Organisationsentwickler ist, dass sie an jeder Stelle unterbrochen werden können.

Maßnahmen zur Bindung von Talenten, Leistungsträgern und Arbeitnehmern mit gefragten Schlüsselkompetenzen müssen zuallererst das Verhalten der Vorgesetzten in den Fokus nehmen.

„Dann suchen wir eben einen Neuen!“

Derzeit wird in den Unternehmen deutlich mehr Geld und Zeit für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter aufgewendet als für die Bindung der vorhandenen Leistungsträger. Das Diktat der Dringlichkeit („dringend vor wichtig“) scheint auch hier die wenig zielorientierte Reihenfolge der Aufgabenbearbeitung zu begünstigen: Die wichtige Aufgabe der Bindung der Talente und anderer Spitzenkräfte wird gern auf morgen verschoben.

Wenn eine solche Kraft aber gerade wegen fehlender bindungswirksamer Benefits kündigt, wird die damit dringliche Aufgabe der Suche nach dem Neuen hingegen ohne Verzug gestartet. Böse Zungen behaupten, das „Löschen von Bränden“ stünde bei manchem Personaler in dem Ruf, der eigenen Arbeitsplatzsicherung dienlicher zu sein als das Umsetzen von unspektakulären Brandschutzmaßnahmen.

Brände verhindern, nicht Feuer löschen

Dieses Fehlverhalten unter Aspekten wie Unternehmenswertsteigerung, langfristiger Ertragssicherung oder der Verpflichtung zum Risikomanagement betrifft Firmen jeder Größenordnung. Doch bereits 15 Prozent der Großunternehmen haben ein individuelles Personalmanagement, d.h. sie haben ihre HR-Programme auf die spezifischen Bedürfnisse der verschiedenen Mitarbeitergruppen wie z. B. Top-Talente abgestimmt.

Schon 30 Prozent nutzen die Informationen über die Mitarbeiter wie z. B. erzielte Performance oder erkanntes Potenzial aktiv zur Gestaltung eines internen Talent Managements. Kaum ein mittelständisches Unternehmen hat allerdings Vorkehrungen insoweit getroffen, als es sich auf eine alternde Gesellschaft im Allgemeinen und eine zukünftig länger arbeitende und ältere Belegschaft im Besonderen eingestellt hat.

In immer mehr Unternehmen wächst aus diesen Gründen die Erkenntnis, dass eine grundlegende Aktualisierung der bestehenden Konzepte der Mitarbeiterbindung erforderlich ist. Vorausschauende Unternehmensleitungen drängen darauf, aktiv zeitgerechte, unternehmensspezifische und situationsgerechte Bindungsinstrumente zu etablieren.

Selbst wenn der Eintritt des Mitarbeiters nur erfolgte, um Verbindung zu einem Kundenunternehmen aufzunehmen, können geschickte Maßnahmen zu einer Bindung an die Firma und zu einem langfristigen Verbleib führen.

Lesen Sie hier weiter: Mitarbeiterbindung im Mittelstand – Arbeitgeberattraktivität erhöhen, Mitarbeiter motivieren, Wertsteigerungen messen (Teil 3)

Mitarbeiterbindung
Personal Center 02/2010

Wenn Sie sich mit einem Experten über diese Thematik austauschen möchten, nehmen Sie bitte einfach Kontakt zu uns auf.

Literatur:

Wolf, G.: Mitarbeiterbindung: So funtioniert´s, in: monster Personal Center 02, Eschborn 2010.

» Download: Mitarbeiterbindung: So funktioniert´s.

Bericht im monster Personal Center über das von uns entwickelte innovative Verfahren der Selektiven Individualisierten Mitarbeiterbindung und über die gezielte Vermeidung der Fluktuation strategisch bedeutsamer Critical Skill Employees, Leistungsträger und Talente.

Die Vorgehensweisen und Maßnahmen werden anschaulich erklärt und visualisiert.

Mitarbeiterbindung | Kurz und bündig
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Bezeichnung
Mitarbeiterbindung im Mittelstand Teil 2: SELIMAB

6 Gedanken zu „Mitarbeiterbindung im Mittelstand (Teil 2)“

  1. Wieder mal ein toller Artikel, alle vier Teile. Wir haben mit Ihnen schon den richtigen Berater gewählt… Herzlichen Gruß Rita Moretta

  2. Super-Artikel! Ich schreibe gerade eine Seminararbeit über Mitarbeiterbindung. Gut, dass Sie die Druckfunktion anbieten… Gruß aus Tübingen. Erik Meyer

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