Headhunting begrenzen
Checkliste: Headhunting eindämmen
In Zeiten des Fachkräftemangels neigen Arbeitgeber dazu, Personalberater einzusetzen, um ihre Vakanzen zu decken. Andererseits versucht man, im eigenen Hause das Headhunting zu begrenzen und die eigenen Spitzenkräfte gegen Abwerbungsversuche möglichst effektiv abzuschirmen.
Ein kurzer Blick auf den Arbeitsmarkt genügt, um tiefschwarze Wolken am Himmel zu erkennen. Auf der einen Seite zeigt eine hohe Arbeitslosenquote auf, dass es in großer Zahl Personen gibt, die für Arbeitgeber schnell verfügbar sind. Diese besitzen jedoch zu einem großen Teil lediglich Qualifikationen für die Ausübung von solchen Tätigkeiten, die in Niedriglohnländern zu weitaus geringeren Kosten erbracht werden.
Auf der anderen Seite mangelt es an ausreichend qualifizierten und zugleich hoch motivierten Fach- und Führungskräften. Erst recht fehlen begabte Nachwuchs- und Spitzenkräfte:
- Spezialisten mit erfolgkritischen Kompetenzen („Critical Skill Employees“),
- besonders leistungsstarke Mitarbeiter („Top Performer“) und
- Top-Talente („High Potentials“) bzw. Talente („Potenzialträger“)
Diese können sich ihren Wunsch-Arbeitgeber unter den vielen angebotenen Stellen aussuchen.
Gefragte Kräfte halten
Im zunehmend globaleren Wettbewerb um Talente werden sich viele der Nachwuchs- und Spitzenkräfte den Wunsch verwirklichen, ins Ausland zu gehen. Sie werden dem hiesigen Arbeitsmarkt noch zusätzlich entzogen. Das Ringen um die begehrten Kräfte gewinnt an Brisanz.
Ähnlich wie sich vor einigen Jahrzehnten an den Absatzmärkten durch den Angebotsüberhang der Übergang von Verkäufer- zu Käufermärkten vollzog, wird sich die Machtkonstellation an Arbeitsmärkten zugunsten der Anbieter von Arbeitskraft verschieben. Wir stehen am Beginn des Wandels vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt.
Abwanderung von Spitzenkräften: Fluktuationskosten
Die Suche nach einer neuen Spitzenkraft kostet heute das 1,5- bis 2-fache des die arbeitgeber- und arbeitnehmerseitigen Nebenkosten inkludierenden Jahresgehaltes. Bedenkt man künftige Nachfrageüberhänge, wird es sicher schon bald das 2- bis 2,5-fache sein. Spitzenkräfte nehmen oftmals enge Mitarbeiter z. B. aus dem gleichen Projekt mit oder ziehen sie nach; deren Fluktuationskosten sind hinzuzurechnen.
Dazu kommen die Kosten der Einarbeitung und die Opportunitätskosten der Vakanz: Geschäftspartner und Kunden vermissen den Ansprechpartner, Arbeit muss um- und später wieder zurückverteilt werden, Mitarbeiter und Kollegen sind verunsichert und warten „den Neuen“ ab. Bis der sich aber orientiert hat und sein Potenzial entfalten kann, vergehen wertvolle Monate.
Strategisch wichtige Projekte verzögern sich oftmals so lange, bis sich deren Umsetzung nicht mehr lohnt. Das Fehlen der Kraft in der vorgesehenen Position beeinträchtigt die Geschäftsfähigkeit des Unternehmens in enormem Maße. Sollte den Entscheidern bei der Auswahl des Neuen eine Fehlbesetzung unterlaufen, schlagen die direkten und indirekten Kosten mit mindestens 2 weiteren Jahresgehältern zu Buche – selbst wenn dies noch innerhalb der Probezeit erkannt wird.
Headhunting: Abwerben von gefragten Kräften
In immer mehr Branchen können Vakanzen nur durch Abwerben abgedeckt werden. Headhunter nehmen bei ausscheidenden Spitzenkräften (50-60 Prozent der Wechsel) eine zentrale Rolle ein. Trotz der Möglichkeit von Wettbewerbsverboten besteht die Gefahr, dass abwanderungslustige Spezialisten betriebliches Know-how, interne Informationen und nützliche persönliche Kontakte zu Dritten mitnehmen. Sie stärken den Wettbewerb in dem gleichen Grade, wie sie Ihr Unternehmen schwächen.
Dazu kommt, dass sich unter Headhuntern bereits in einigen Branchen und engen, spezialisierten Arbeitsmarkt-Segmenten das „Abwerben und Zurückwerben“ verbreitet. Diese Mentalität hat in jüngster Vergangenheit mehrfach Gehälter- und Kostenspiralen in Gang gesetzt, bei denen kleine und mittelständische Unternehmen kaum Chancen haben.
Headhunting begrenzen: Ihre Handlungsoptionen
Eine Sammlung von relevanten Gesetzestexten (UWG, in Auszügen) und Urteilen des BGH, Stand 1.4.2013, soll Ihnen erste Informationen über die höchstrichterliche Rechtsprechung im Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen des Headhunting bieten: Arbeitshilfe Headhunting begrenzen: Das UWG und relevante BGH-Urteile
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es nicht wettbewerbswidrig, wenn ein Arbeitnehmer von einem Headhunter am Arbeitsplatz in einem zur ersten Kontaktaufnahme geführten Telefongespräch nach seinem Interesse an einer neuen Stelle befragt und diese kurz beschrieben wird.
Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Anrufen zu Abwerbungszwecken, bei denen dienstliche Telefoneinrichtungen benutzt werden, ist nicht danach zu unterscheiden, ob Festnetz- oder Mobiltelefone benutzt werden (BGH, Urteil vom 09.02.2006 – I ZR 73/ 02, Wortlaut in der Arbeitshilfe Headhunting begrenzen).
Headhunting begrenzen: Was können Sie tun?
Eine mit den guten Sitten im Wettbewerb nicht zu vereinbarende Störung des betrieblichen Arbeitsablaufs liegt hingegen vor, wenn sich der im Auftrag eines Wettbewerbers anrufende Headhunter bei einem solchen Gespräch darüber hinwegsetzt, dass der Arbeitnehmer daran kein Interesse hat, oder das Gespräch über eine knappe Stellenbeschreibung hinaus ausdehnt (BGH, Urteil vom 04.03.2004 – I ZR 221/01, Wortlaut in der Arbeitshilfe Headhunting begrenzen).
Weiterhin handelt ein Headhunter wettbewerbswidrig, der bei einem ersten Telefongespräch, das er mit einem Arbeitnehmer eines Mitbewerbers seines Auftraggebers zur Personalsuche an dessen Arbeitsplatz führt, diesem Daten zu dessen Lebenslauf und bisherigen Tätigkeiten vorhält. Hiermit, so das BGH, geht der Headhunter über das für eine erste Kontaktaufnahme Notwendige hinaus (BGH, Urteil vom 22.11.2007 – I ZR 183/ 04, Wortlaut in der Arbeitshilfe Headhunting begrenzen).
Schaden ja, Schadenersatz nein
Professionelle Headhunter kennen diese Grenzen genau und werden sich nur selten dazu hinreißen lassen, diese zu überschreiten. In nicht seltenen Fällen bedienen sich abwerbende Unternehmen jedoch derjenigen Mitarbeiter, die bereits zu ihnen gewechselt sind. Empfehlungsmarketing ist schließlich besonders erfolgsversprechend! Das gilt für Arbeitgebermarketing in besonderem Maße.
Indem diese ihre ehemaligen Kollegen kontaktieren, spart man sich zudem die Kosten für Headhunter, die üblicherweise um 30 Prozent des künftigen Jahresgehaltes der Zielperson liegen. Doch selbst wenn es Ihnen gelingt, Wettbewerbsverstöße nachzuweisen, bleiben diese mitunter folgenlos, wenn man die Durchsetzbarkeit von Schadenersatzforderungen als Maßstab hinzuzieht.
Fallbeispiel
Der Fall der insolventen Walter-Heilit Verkehrswegebau GmbH (nach dem Verkauf an Strabag: Heilit+Woerner Bau GmbH): Rund 50 Führungskräfte, vornehmlich Niederlassungsleiter, waren zum Baukonzern Bilfinger Berger gewechselt. „Danach, so Strabag-Jurist Michael Lück, „fiel Heilit + Woerner wie ein Stück Blei vom Himmel”. Da Bilfinger Berger diese aktiv abgeworben hatte, forderte Heilit+Woerner unter Bezug auf die wettbewerbsrechtlichen Regelungen Schadenersatz für die eingetretenen Verluste. Die Klägerin zog erfolglos bis in die höchstrichterliche Instanz. Landes- und Bundesarbeitsgericht konstatierten zwar unisono, Bilfinger Berger habe sich bei der Abwerbung wettbewerbswidrig verhalten, doch der Rechtsverstoß bleibt ohne Folgen für den Schädiger: Die Gerichte sahen sich außerstande, den Zusammenhang zwischen den Abwerbungen und den eingetretenen Verlusten sowie die Berechnungen des entstanden Schadens nachzuvollziehen.
Der Verfahrensgang: ArbG Düsseldorf, 09.06.2008 (3 (8) Ca 336/06), LAG Düsseldorf, 23.02.2010 (17 Sa 1133/08) und schließlich BAG, 26.09.2012 (10 AZR 370/10), Wortlaut in der Arbeitshilfe Headhunting begrenzen.
Fazit: Headhunting frühzeitig begrenzen
Wenn das Unternehmen von dem Wettbewerbsverstoß Kenntnis erlangt, wird es in der Mehrzahl der Fälle schon zu spät für eine Intervention sein. Insofern bietet das Wettbewerbsrecht wenig Unterstützung; es ist lediglich realistisch, möglichweise zukünftig auftretende Wiederholungsfälle einzuschränken. Im Hinblick auf Schadenersatzforderungen bei wettbewerbswidrigem Abwerben von Mitarbeitern erweist sich das UWG als zahnloser Tiger.
Fallbeispiel
Eine Maßnahme in der Nähe von Selbstjustiz hat sich SinnerSchrader einfallen lassen. Die Hamburger Agentur filmte einen ihrer Mitarbeiter bei der Entgegennahme von Headhunter-Anrufen und dankte im Abspann gegenüber etwa 20 namentlich genannten Wettbewerbern und Personalberatern „für die Wertschätzung“. Das Video „Wir müssen reden“ erregte großes Aufsehen in der Branche, als es via YouTube und andere Social Media Kanäle verbreitet wurde, zumal SinnerSchrader hiermit auch die Bindung der Belegschaft und die Steigerung der eigenen Attraktivität als Arbeitgeber im Auge hatte.
Links:
- Weitere Informationen zum Thema Headhunting
- Relevante Veröffentlichungen der Mitarbeiterbinder: Bücher und Fachbeiträge
- Weitere Arbeitshilfen der Mitarbeiterbinder: Checklisten
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