Mitarbeiterbindung im Mittelstand (Teil 4)

Mitarbeiterbindung im Mittelstand (Teil 4)

Mitarbeiterbindung messen und managen: Der Humankapital-Ansatz

Mitarbeiterbindung im Mittelstand: Humankapital
Mitarbeiterbindung im Mittelstand: Humankapital

Gerade in kleineren mittelständischen Unternehmen mischen sich Unternehmensleitungen häufig in das Aufgaben- und Verantwortungsgebiet ihrer Mitarbeiter ein. Sie gehen selbst mal an der Maschine gucken, warum da was nicht richtig läuft oder sprechen selbst mal mit dem Kunden über Zahlungsbedingungen.

Wer Vertrauen von Mitarbeitern fordert, muss auch Vertrauen geben. Das fällt nicht leicht, vor allem wenn man glaubt oder weiß, dass man es selbst am besten kann. Doch erst wenn man es dennoch zulässt und sich zurücknimmt, kommt das Potenzial der Mitarbeiter ans Licht.

Der vierteilige Beitrag zeigt konkrete Wege auf, wie Sie Ihre Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen, die richtigen Mitarbeiter binden, die Produktivität nachhaltig steigern, erzielte Veränderungen des Unternehmenswertes nachweisen und gewinnbringend nutzen können.

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Mitarbeiterbindung messen und managen: Der Humankapital-Ansatz

Eine maßgebliche Stärke der mittelständischen Unternehmen gegenüber Großunternehmen ist ihre Flexibilität. Sie können schneller mit Innovationen auf Veränderungen reagieren. Innovation basiert auf der Fähigkeit zu Kreativität, Problemlösekompetenz und der Möglichkeit, etwas ausprobieren zu können. Da haben vor allem die Eigentümer-Geschäftsführer Vorteile: Auch wenn es mal schief geht, ihr Stuhl ist sicher. Das trifft auf angestellte Geschäftsleitungen von Großunternehmen nicht in gleichem Maße zu.

Mittelständische Stärken nutzen

Weitere Stärken der mittelständischen Unternehmen sind Kundennähe, flache Hierarchien und kurze Wege in der Zusammenarbeit und bei der Entscheidungsfindung. All diese Stärken sind eng mit dem Bindungsgrad, der Loyalität, den Kompetenzen und der Leistung der Mitarbeiter verknüpft.

Hier liegen schon heute die entscheidenden Differenzierungskriterien gegenüber Wettbewerbern. In Anbetracht des Wandels der Geschäftsfelder und Wertschöpfungsketten deutscher Unternehmen des Mittelstandes wird der Faktor Personal zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen. Es liegt somit nahe, auch personalbezogene Werte in die Ermittlung des Unternehmenswertes einzubeziehen.

  • Humankapital, der personalbezogene Teil des intellektuellen Kapitals
  • Organisatorisches Kapital (z. B. Markenimage, geistiges Eigentum, Struktur- und Prozesskapital) und
  • Beziehungskapital (z. B. Kundenbeziehungen, Allianzen und Netzwerke)

Fähigkeiten, Motivation, Erfahrung, Loyalität, Performance, Wissen und Intellekt zählen zum Humankapital. Es ist offenbar, dass ein Gros der Aktivitäten zum Aufbau, zur Nutzung und zum Schutz des organisatorischen Kapitals wie z. B. eine etablierte Marke als (attraktiver) Arbeitgeber, in engem Zusammenhang mit denen zur Optimierung des Humankapitals zu sehen sind. Dies gilt in zumindest gleichem Umfang für Maßnahmen zur Steigerung des Beziehungskapitals.

Der Humankapital-Ansatz hilft dabei, Wert bzw. Wertveränderungen zu bestimmen und die Erfolge umgesetzter Maßnahmen zur Förderung von Bindung und Engagement zu ermitteln.

Wertschaffung durch Mitarbeiterbindung

Damit das bezifferte Humankapital eine Aussage über den zu erwartenden Beitrag zum langfristigen Unternehmenserfolg und damit zur nachhaltigen Unternehmenssicherung erlaubt, sind Werte zu ermitteln, die die Geschäftsziele ebenso wie die im jeweiligen Arbeitsbereich und -umfeld zu stellenden Anforderungen ausreichend berücksichtigen.

Ein von diesem Verständnis getragenes Humankapital Management hat die Aufgabe, bestehende menschliche Erfolgspotenziale zu binden und zu schaffen, sowie dazu beizutragen, dass diese genutzt und in Leistung zum Erreichen der strategischen Unternehmensziele umgesetzt werden.

  1. Ermittlung und Analyse des Humankapital-Potenzials
  2. Ermittlung und Analyse der Leistung (Performance)
  3. Entwicklung und Bewertung von Maßnahmen zur Steigerung a) des Humankapital-Potenzials und b) dessen Nutzungsgrades

Die Optimierung des Humankapitals ist somit stets ein über diese drei Schritte hinweg iterativ und revolvierend verlaufender Prozess.

Ermittlung und Analyse des Humankapital-Potenzials

Ausgangspunkt aller Überlegungen ist eine Personalbestandsaufnahme nach Quantität und Qualität hinsichtlich der Anforderungen in verschiedenen Beschäftigungsebenen. Anforderungsprofile werden an gegenwärtigen und künftigen Kernkompetenzen ausgerichtet und müssen kontinuierlich auf ihre Aktualität überprüft werden. In den einzelnen Kompetenzen erfolgt zunächst eine Erhebung des Humankapital-Potenzials auf Mitarbeiterebene. Aus dieser Datenbasis können Humankapital-Potenzialwerte je nach Anlass auf Team-, Abteilungs- und Unternehmensebene aggregiert werden.

Gerade hier wird von verschiedenen Seiten die Frage aufgeworfen, inwieweit es ethisch bedenklich ist, Mitarbeiter angesichts der gebotenen und gewünschten Möglichkeit, Ergebnisse in monetären Kennziffern darzustellen, individuell zu bewerten. Nicht nur aus diesem Grunde ist sorgsam darauf zu achten, dass nicht der Mitarbeiter an sich bewertet wird, sondern nur diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Hinblick auf das Unternehmensziel von Bedeutung sind. Bewertungen der hierüber hinausgehenden persönlichen Eigenschaften des Mitarbeiters besitzen aus Wertschöpfungs-Perspektive keine Relevanz und würden die Ermittlung des Humankapitals verfälschen.

Zielorientierte Potenzial-Ermittlung

Die beschäftigungs- und unternehmensspezifischen Anforderungsprofile enthalten die erforderlichen fachlichen Qualifikationen und die fachlichen bzw. fachübergreifenden Kompetenzen der jeweiligen Stelle mit den dazugehörigen Soll-Ausprägungen. Die Bewertung des Ist-Potenzials, die durch die Führungskräfte unter Rückgriff auf die Selbsteinschätzung des Mitarbeiters erfolgt, ist diesen Werten entgegenzustellen.

Die Ermittlung des Humankapital-Potenzials erfolgt maßgeblich durch Erfassung der Qualifikationen und Kompetenzen.

Es ist sinnvoll, die Kompetenzen z. B. in Methodenkompetenz, Sozialkompetenz, Führungskompetenz und Fachkompetenz zu gliedern und den Beurteilenden die Bewertung mit Hilfe einer Aufstellung der relevanten, den Kompetenzen zugeordneten Kriterien zu erleichtern. Anhand derart strukturierter Fragebögen werden Fähigkeitspotenziale für die derzeitige und in der Regel auch vorausschauend für die nächste Laufbahnstufe im Unternehmen ermittelt.

Analyse der Humankapital-Potenziale

Die Zusammenführung mit weiteren Daten erlaubt eine Analyse der Humankapital-Potenziale unter weiteren Perspektiven. Wenn beispielsweise altersbezogene Aggregierungsstufen gelegt werden, kann die Entwicklung des Humankapital-Potenzials in die Zukunft projiziert werden. Im Falle von kritischem durchschnittlichem Alter der Potenzialträger kann dieses Humankapital-Verlustrisiko frühzeitig erkannt und Maßnahmen zur Gegensteuerung eingeleitet werden.

Daneben erfolgt eine Segmentierung des Humankapital-Potenzials, häufig unter Verwendung der Portfoliotechnik. Unter sicher nicht unreflektiertem Rückgriff auf die im Portfolio verankerten Normstrategien werden die zutreffenden Personalstrategien abgeleitet. Das Humankapital ist dabei nicht möglichst hoch zu steigern, sondern orientiert an der Unternehmensstrategie mit Blick auf die Personalkosten zu optimieren. Hierauf sind die sich anbietenden Maßnahmen zu untersuchen und zu bewerten:

  • Verbesserung von Qualifikationen und Kompetenzen (Personalentwicklung, Weiterbildung)
  • Verbesserung der Mitarbeiterallokation („Den richtigen Mitarbeiter am richtigen Platz“)
  • Einstellung weiterer Mitarbeiter

Es kann nicht grundsätzlich unterstellt werden, dass das in den Mitarbeitern gebundene Potenzial stets bestmöglich genutzt wird bzw. zur Entfaltung kommt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine tiefer gehende Betrachtung der Humankapital-Performance sowie der Ursachen für unzureichende Nutzung der Potenziale sind zwingende Aufgaben vor dem dritten Schritt, der Ableitung erfolgversprechender Maßnahmen.

Ermittlung und Analyse der Humankapital-Performance

Auch bei der Performance-Ermittlung liegt der Ausgangspunkt auf der Individual-Ebene. Es ist möglich, die Erhebung der Performance-Daten mit der Potenzial-Bestandsaufnahme zu verbinden. Führungskräften fällt es indes oft schwer, Potenzial und Leistung zu trennen. Sie sind in Beurteilungsfähigkeiten zu schulen, aber auch im Hinblick auf ihre Feedbackfähigkeiten.

Der erforderliche Bezug der individuellen Leistungsbeiträge zum Unternehmen wird durch die aus der Zielhierarchie abgeleiteten Individual-Ziele und Zielerreichungsgrade hergestellt.

Die Ermittlung der Humankapital-Performance erfolgt maßgeblich durch Erfassung der Zielerreichungsbeiträge.

Nahezu jedes Unternehmen misst seine Performance mit zum Teil allgemeinen, aber auch unternehmensspezifischen Tools. Der Einsatz der Balanced Scorecard ist mittlerweile ein anerkanntes Instrument, welches hierbei zum Einsatz kommen kann.

Performance: Ziel- und Strategiebezug

Nicht selten bleibt in der Zusammenschau auf der Ebene des Unternehmens oder der Abteilung die gezeigte Performance hinter den Möglichkeiten zurück, welche durch den Potenzialwert wiedergegeben werden. Hier spiegeln sich niedrige Bindungsintensität, Fluktuation, Fehlzeiten / Absentismus, „innere Kündigung“ oder mangelndes Engagement wider. Daneben können interne Einflüsse, z. B. das bei Ursachen mangelnder Bindung zentrale Vorgesetztenverhalten (Mitarbeiterbindung im Mittelstand, Teil 2) oder externe Störfaktoren die Entfaltung des Potenzials verhindert haben.

Die Messung der Intensität der Bindung von Mitarbeitern zu dem Unternehmen erfolgt mithilfe des Instruments der Mitarbeiterbefragung (Mitarbeiterbindung im Mittelstand, Teil 3). Maßgeblich sind hierbei Fragen, die auf das Commitment mit den Strategien, Zielen und Werten des Unternehmens gerichtet sind. Weitere Aspekte sind die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit sowie mit der Zusammenarbeit im Team bzw. Unternehmen, mit der Führung und mit dem Betriebsklima.

Performance-Optimierung

Erkenntnisse aus diesen Erhebungen führen zu wertvollen Ansatzpunkten für die Optimierung der Humankapital-Performance:

  • Verbesserung der Möglichkeiten zur Potenzialentfaltung und -nutzung (Verringerung externer oder interner limitierender Einflüsse)
  • Verbesserung der Intensität der Mitarbeiterbindung
  • Verbesserung von Motivation und Anreiz

Das Ziel der Aktivitäten des Humankapital Managements ist, das Erreichen der Unternehmensziele zu sichern. Wie auch in der potenzialorientierten Sichtweise spielen die Kosten bei der Maßnahmenbewertung eine wichtige, limitierende Rolle. Bei nahezu allen Klienten stellen wir enorme Defizite in der Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitskriteriums fest. Insbesondere im Bereich der variablen Anreizvergütung werden gebotene Chancen zur kostenneutralen Gestaltung achtlos vertan.

Die beiden Dimensionen, das Humankapital-Potenzial und die Humankapital-Performance, bilden in der Zusammenschau eine solide Basis für weiterführende Überlegungen zur Optimierung des Unternehmenswertes.

Vielfältig nutzbar: Die Portfolio-Technik

Die Portfoliotechnik diente ursprünglich der Beurteilung von Wertpapierdepots und wurde erfolgreich auf Fragestellungen bezüglich der Einschätzung von Geschäftseinheiten eines Unternehmens übertragen. Als stark komplexitätsreduzierendes Visualisierungstool kommt es nun auch im strategischen Humankapital Management zum Einsatz.

Potenzial Leistung Portfolio
Abbildung 4: Schematische Darstellung des Humankapitalportfolios. Zum Vergrößern anklicken.

Beim Humankapitalportfolio werden die erhobenen Daten der Mitarbeiter in den zwei bedeutsamen Analysekriterien „Potenzial“ und „Performance“ in ein Koordinatensystem mit zumeist 2×2 Feldern eingeordnet.

Portfolio: Performance und Potenzial im Blick

Durch farblich differenzierte Darstellung – z. B. nach Ebenen, Organisationseinheiten oder demografischen Kriterien – wird personalstrategischer Handlungsbedarf offenkundig.

Potenzial-Performance-Portfolio
Abbildung 5: Darstellung der Ist-Konstellation im Humankapitalportfolio. Zum Vergrößern anklicken.

Insgesamt fünf Dimensionen können durch die beiden Achsen, farbliche Differenzierung, die Größe der Kreise und durch Kreissegmente dargestellt werden. So ist es etwa möglich, die jeweiligen Bindungsintensitäten darzustellen oder Humankapital- und Marktbetrachtungen zu verknüpfen.

Durch Einbinden von Ziel- und Ist-Zuständen in die grafische Darstellung wird das Humankapitalportfolio zu einem komprimierten Analyse-, Planungs- und Kontrollinstrument mit hoher Transparenz für Entscheidungsträger. Mit diesem Instrument werden strategische Möglichkeiten und Risiken von Teams, von Abteilungen und des gesamten Unternehmens im Hinblick auf ihr verfügbares sowie gegenwärtig und künftig fehlendes Humankapital deutlich.

Humankapital-Optimierung

Durch geeignete personalwirtschaftliche Maßnahmen, die als Normstrategien mit Empfehlungscharakter bereits in das Konzept des Humankapitalportfolios integriert sind (Wachstums-, Diversifikations-, Konsolidierungs-, Eliminierungsstrategien), lässt sich eine Mitarbeiterkonstellation erreichen, mit der die zukünftigen Unternehmensziele möglichst optimal zu realisieren sind.

Die Portfoliotechnik wird auch bei der Potenzialsegmentierung eingesetzt. Es empfiehlt sich, Funktionen, Kompetenzbündel oder auch Einzelkompetenzen in den hier bedeutsamen Dimensionen „Strategische Relevanz“ und „Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt“ einzuschätzen und den aktuellen quantitativen Bedarf durch Farben bzw. Graustufen wiederzuspiegeln.

Funktions-Kompetenz-Portfolio
Abbildung 6: Darstellung der Ist-Konstellation im Talentportfolio. Zum Vergrößern anklicken.

Während mithilfe dieses Instruments Normstrategien des Talent Managements abgeleitet werden, die sich insbesondere auf Träger der gefragten Kompetenzen richten, verfolgt das Humankapital Management das Ziel, mit der Entwicklung und Bewertung von Maßnahmen zur Steigerung a) des gesamten Humankapital-Potenzials und b) dessen Nutzungsgrades einen positiven Beitrag zur Unternehmenswertsteigerung zu leisten.

Hierzu gehört auch die erforderliche interne Kommunikation, wie etwa Schulungen, Informationsbroschüren und Veranstaltungen; aber auch das externe Marketing mit Blick auf die Attraktivität am Arbeitsmarkt für Leistungs- und Potenzialträger, sowie Mitarbeiter mit erfolgskritischen Kompetenzen.

Maßnahmen zur Steigerung des gesamten Humankapitals

Tritt ein Rückgang der Nachfrage nach bestimmten Produkten oder Dienstleistungen ein, leidet unweigerlich die Performance des Unternehmens. Es kommt zur Überdeckung, die Maßnahmen der

  • Potenzial-Senkung

oder von deren Verschiebung in andere Bereiche erforderlich macht.

Im umgekehrten Falle, bei gegenüber der Unternehmensplanung erkannter Unterdeckung, eröffnen sich zwei Wege:

  • Potenzial-Steigerung
  • Performance-Steigerung
Humankapital-Optimierung
Abbildung 7: Prozess der Humankapital-Optimierung am Beispiel der Unterdeckung. Zum Vergrößern anklicken.

Als Maßnahmen zur Potenzial-Steigerung kommt vor allem der Aufbau über den externen Arbeitsmarkt in Betracht. Hier zeigt sich die entscheidende Bedeutung der wahrgenommenen Attraktivität als Arbeitgeber.

Werte schaffen mit Personalentwicklung

Im Falle von früheren Fehlallokationen oder dann, wenn sich die Anforderungen im Laufe der Zeit verändern und eine Lücke zwischen Ist und Soll entsteht, kommt auch die Personalentwicklung ins Spiel. Da analog zur Gesellschaft mit künftig älteren Belegschaften zu rechnen ist, wird die nachhaltige Weiterbildung zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Sämtliche Maßnahmen der Personalentwicklung sind indes zum Scheitern verurteilt, wenn hierbei nur Wissen erlernt und Können trainiert wird, aber keine zusätzliche Anreizgebung und Stimulans erfolgt, dieses auch anzuwenden.

Im umgekehrten Fall, bei überproportional hoher Ausprägung des Wollens, ist davon auszugehen, dass das Individuum die Verbesserung von Fähigkeiten und Fertigkeiten einfordert oder sogar durch selbstgesteuertes Lernen vorantreibt, so dass nahezu unvermeidlich ein höherer Performance-Level erreicht wird.

Performance: Anreize geben

Schon aus dieser Perspektive heraus sind die Möglichkeiten zu einer Optimierung der Motivations- und Anreizgestaltung sicher nicht erst zuletzt ins Kalkül der in Frage kommenden Maßnahmen zur Performance-Steigerung zu ziehen. Das Etablieren von Motivations- und Anreizsystemen ist wie alle Maßnahmen zur Steigerung der Humankapital-Performance vor allem gegen limitierend wirkende Faktoren gerichtet. Ihr Ziel ist es, „den Deckel von der Leistung zu nehmen“. Hierzu zählen vor allem Mitarbeitererfolgsbeteiligungen, Incentives sowie kurz-, mittel- und langfristige Varianten der variablen Vergütung.

Weitere Maßnahmen dienen der Verbesserung der gebotenen Chancen zur Potenzialentfaltung und -nutzung oder der Steigerung der Mitarbeiterbindung: Mentoring-Systeme, das Achten der individuellen Work-Life-Balance, Sabbaticals für Familie, Hausbau, Weltreise und andere individuelle Wünsche, Mitarbeiterkapitalbeteiligungen oder unternehmensübergreifende Veranstaltungen.

Bei letzterem, dem gemeinsamen Erleben in Corporate Events, wird zusätzlich ein Netzwerkeffekt erzielt. Dabei ist ein Mix aus attraktiven Veranstaltungen sinnvoll, die von den Mitarbeitern alleine wahrgenommen werden und solchen, die auch die Partner oder Familien einbeziehen. Die Förderung des informellen Beziehungsgeflechts kann bei der Bewältigung schwieriger individueller Situationen, einem lukrativen externen Angebot oder vorübergehenden Motivationsdefiziten eine besondere Bedeutung annehmen. Die Bedeutung sozialer Kontakte als Verbleibsanreiz ist für das Controlling schwer zu erfassen, aber kaum zu überschätzen.

Mitarbeiterbindung durch Vernetzung

Nicht nur bei eher jüngerer Mitarbeiterschaft sind sportliche Aktivitäten denkbar. Wenn sich die Belegschaftsstruktur analog zur Gesellschaft verändert, müssen Unternehmen zur Vermeidung von Fehlzeiten mit Disability Management Maßnahmen auf den Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer achten.

Google schenkte jedem Mitarbeiter ein Fahrrad und schlug damit drei Fliegen mit einer Klappe: Es stärkte mit diesem ausgefallenen Geschenk die Loyalität und Bindung der Mitarbeiter, förderte bei seinen Mitarbeitern Bewegung sowie den Erhalt ihrer Gesundheit und verbesserte nicht zuletzt sein Image als ein attraktiver Arbeitgeber, der verantwortungsvoll seinen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leistet.

In ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen sind auch unter den Überbegriff „Prestige“ zu subsumierende Aspekte, gerade als selektive Maßnahme bei der anspruchsvollen Klientel der erfolgskritischen Spitzenkräfte und Top-Talente. Deren Ausstattung mit sichtbaren statuswirksamen Attributen (z. B. Titel, Zugehörigkeit zu besonderen Gremien, stärkere persönliche Beachtung durch den Unternehmer, Verschaffen von Zugängen zu gesellschaftlichen Kreisen) ist nicht nur ein besonders wirksames, sondern auch ein äußerst kostengünstiges Instrument.

Mitarbeiterbindung: Führung entscheidend

Der sicher schwerwiegendste Aspekt zur Performance-Steigerung ist die Führung. Sie wirkt als Retention-, Motivations- und Anreizsystem – oder auch in die Gegenrichtung. Unzufriedenheit mit dem direkten Vorgesetzten ist einer der häufigsten Gründe für das Ausscheiden von Spitzenkräften. Ist der Führende flexibel genug, um Innovationen zuzulassen? Wie ernst nimmt er die gemeinsame Erarbeitung individueller Karrierepläne und Entwicklungsziele?

Die konsequente Anwendung der Zieloptimierung als Weiterentwicklung der konventionellen Zielvereinbarung erlangt unter diesen Gesichtspunkten eine Bedeutung als eines der wichtigsten Führungs- und Steuerungs-Systeme. In verschiedenen Unternehmen werden die Führungskräfte selbst bereits u. a. nach dem Beitrag variabel vergütet, den sie in ihrem Bereich zur Senkung der ungewollten Fluktuation leisten. Hiermit kann ein erster Anreiz für Führungskräfte geschaffen werden, sich mit den eigenen Möglichkeiten intensiver als bisher auseinanderzusetzen.

Aus der modernen Führungslehre ist bekannt, dass durch die Führung ausgeübter Zwang nicht nur allen Maßnahmen zur Steigerung der Bindungsintensität entgegenwirkt, sondern auch weniger Leistung freisetzt als eine kooperative Vorgehensweise. Führungskräfte müssen respektieren, dass die Möglichkeit, die im Mitarbeiter gebundenen Fähigkeiten abzurufen, weitgehend auf Freiwilligkeit und Mitwirkungsbereitschaft der Humankapitalträger beruht.

Fazit: Am Kopf fängt der Fisch an, gut zu riechen

Die Führungskompetenz der Führungskräfte auf allen Ebenen des Unternehmens hat somit eine herausragende Rolle. Sie müssen in der Lage sein, die Potenziale der einzelnen Mitarbeiter zur vollen Entfaltung zu bringen, die individuellen Beiträge bewusst zu machen und auf das gemeinsame Ziel der Schaffung von Werten im und für das Unternehmen auszurichten.

Wertschaffung durch Diversity

Dafür ist die Überzeugung erforderlich, dass die volle Entfaltung des Humankapitals nur auf der Basis eines Menschenbildes gelingen kann, das den einzelnen Mitarbeiter als individuelle Persönlichkeit anerkennt. Ein Verständnis, das Diversity, die unterschiedlichen Begabungen und Potenziale, als entscheidende Quelle der Wertschöpfung begreift.

Dies muss glaubwürdig und nachhaltig von der Spitze des Unternehmens getragen und vorgelebt werden. Geschieht das nicht, fehlt der vielleicht wichtigste Baustein in dem Prozess der Schaffung von Unternehmenswert durch die Nutzung des Humankapitals.

Lesen Sie alle Beiträge dieser Serie:
Teil 1: Kann der Mittelstand den „War for Talents“ gewinnen?
Teil 2: Der aktuelle Stand im Mittelstand
Teil 3: Handlungsfelder für den Mittelstand

Wenn Sie sich mit einem Experten über Mitarbeiterbindung austauschen möchten, nehmen Sie bitte einfach Kontakt zu uns auf.

Literatur:

Management und Controlling des Humankapitals
Management und Controlling des Humankapitals

Management und Controlling des Humankapitals: Handlungsfelder für Beratungsunternehmen. In: Handbuch der Unternehmensberatung. Loseblattsammlung. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2005 (laufende Ergänzungslieferungen).

Weitere Informationen bei Amazon oder direkt beim Erich Schmidt Verlag [Beiträge hier auch einzeln erhältlich!].

Summary:

Das Thema „Humankapital“ rückt im Zuge der Bestrebungen, immaterielle Vermögenswerte zutreffend abzubilden, in den Fokus der Controller und der Finanzvorstände. Dabei geraten die ursprünglich in die Nähe des Personalwesens zu „verortenden Konzepte in ein Spannungsfeld. Einerseits verspricht Humankapital-Management die möglichst exakte Bezifferung und Steuerung des Humankapitals. Denn in Beratungsunternehmen ist das in den Consultants gebundene Vermögen einer der maßgeblichen Werttreiber und hat für den Markterfolg entscheidende Bedeutung. Humankapital-Experten sehen sich dem Anspruch ausgesetzt, nach Möglichkeit monetäre Kennzahlen auszuweisen und Hinweise zu geben, wie diese optimiert werden können. Andererseits hat „Humankapital“ bei der Wahl zum Unwort des Jahres 2004 den 1. Platz belegt, was auf Ressentiments gegen die Begrifflichkeit und die dahinter stehenden Konzepte hinweist.

Der Autor des vorliegenden Beitrags zeigt Wege auf, wie Entscheidungsträger den berechtigten Ansprüchen der Shareholder Folge leisten und zugleich die ebenso nachvollziehbaren ethisch-moralischen Fragestellungen umfassend berücksichtigen können.

Mitarbeiterbindung | Kurz und bündig
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Bezeichnung
Mitarbeiterbindung im Mittelstand Teil 4: Humankapital

6 Gedanken zu „Mitarbeiterbindung im Mittelstand (Teil 4)“

  1. Ausgesprochen interessanter 4-Teiler. Habe ich sehr aufmerksam verfolgt und bin begeistert. Besonders der Teil „Humankapital-Optimierung“ interessiert mich sehr.

  2. […] „Die Mitarbeiterbinder“ sind Spezialisten für diese Fragen. Sie zeigen in dem vierteiligen Beitrag auf, […]

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